Immer mehr Ärzte schlittern in die Krise

Der Beruf des Mediziners wird auch in der Schweiz immer mehr zur Belastungsprobe, das zeigt die zunehmende Inanspruchnahme der Schweizer „Kummernummer für Ärzte“. Aber nicht nur die Ärzte leiden an der zunehmenden beruflichen Herausforderung, sondern auch für die Patienten steigt dadurch das Risiko eines Kunstfehlers.

Belastung im Beruf

Die Zahlen des Sorgentelefons Remed, das von der Ärzteorganisation FMH betrieben wird, sprechen Bände. Im Jahr 2018 haben so viele Ärzte wie noch nie seit der Gründung angerufen, um Rat zu suchen. Natürlich ist das zum Teil auch auf den wachsenden Bekanntheitsgrad der Serviceline zurückzuführen, aber nicht nur, weiß Remed-Programmleiterin Esther Kraft. Ihr zufolge leiden die meisten Ärzte unter der administrativen Belastung. Nur noch ein Drittel der Arbeitszeit verbringen die Mediziner tatsächlich mit der Behandlung des Patienten. Jeder fünfte Anrufer kontaktiert Remed wegen Belastungen am Arbeitsplatz. Häufig werden außerdem Burn-Out, Depression und strukturelle Probleme, wie etwa bei einer Praxisübergabe, genannt. Das Durchschnittsalter der Anrufer liegt bei 42 Jahren, 70 Prozent sind Frauen. Vor allem junge Frauen sind stark betroffen, denn Beruf und Familie sind sehr schwer miteinander zu vereinbaren.

 

Patienten gefährdet

Eine Befragung des Verbandes der schweizerischen Assistenz- und Oberärzte (VSAO) zeigt, dass etwa die Hälfte der Assistenz- und Oberärzte nach wie vor länger als die erlaubten 50 Stunden pro Woche arbeitet: kein Zustand, der von den Ärztinnen und Ärzten gewünscht wird. Von den langen Dienstzeiten und den daraus resultierenden Erschöpfungszuständen der Mediziner sind letztlich aber auch die Patienten betroffen. In der oben angeführten Befragung gab die Hälfte der Assistenz- und Oberärzte an, dass er/sie persönlich eine Gefährdung eines Patienten durch die Übermüdung eines Arztes miterlebt hätte. Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit zufolge sterben jährlich 2.000 bis 3.000 Patienten aufgrund von medizinischen Fehlern, 60.000 Personen erleiden gesundheitliche Schäden. Wie hoch an diesen Fällen die Beteiligung der Übermüdung ist, lässt sich freilich nicht genau sagen.

 

Mögliche Lösungen

Um negative Konsequenzen für Ärzte und Patienten abzuwenden müssen Lösungen gesucht werden, die vor allem in der Veränderung der Arbeitsumstände liegen müssen. Vorschläge dazu sind mehr Teilzeitstellen in allen Hierarchieebenen, die unbedingte Einhaltung der gesetzlich erlaubten Höchstarbeitszeiten und die Reduktion der administrativen Tätigkeiten. Ein Projekt des Spitals Solothurn zeigt, wie das konkret funktionieren kann: zu Randzeiten begleiten sogenannte Medical Scribes, das sind Medizinstudenten ab dem 3. Ausbildungsjahr, die Assistenzärzte. Letztere können außerdem Schreibarbeiten an Schreibkräfte weitergeben, um sich zu entlasten.

Das Sorgentelefon Remed hilft indes sehr individuell verschieden: vom klärenden Gespräch bis hin zum Einsatz von Buchhaltern, Juristen und Coaches ist alles dabei.

 

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Quelle

Infolinemed SonntagsZeitung