Vertragsarzt oder Wahlarzt – was entscheidet?

Das Institut für Soziologie der Universität Wien hat im Auftrag des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger eine Untersuchung durchgeführt, die zeigt aus welchen Gründen sich Menschen dazu entscheiden einen Wahlarzt aufzusuchen. Denn obwohl Vertragsärzte sehr beliebt sind, gibt es doch einige zentrale Aspekte eines Arztbesuches, die beim Wahlarzt anders gestaltet sind.

Im Juli und September 2018 wurden insgesamt 40 Personen zwischen 18 und 83 Jahren interviewt, die im Jahr 2017 wenigstens einmal beim Arzt waren. Durchschnittlich kam es pro Person durchschnittlich zu 8,32 Kontakten zum Wahlarzt und 8,54 Kontakten zum Kassenarzt, wobei dies von Person zu Person sehr unterschiedlich war. In den Fächern Chirurgie, Neurologie & Psychiatrie, Gynäkologie und Orthopädie wurden über die Hälfte der Arztbesuche bei einem Wahlarzt vorgenommen. Bei HNO-Krankheiten, in der Augenheilkunde, der Allgemeinmedizin und in der Radiologie wurde hingegen in den allermeisten Fällen (mehr als 80%) der Kassenarzt gewählt.

 

Der Faktor Zeit

Es fängt damit an, dass Patienten für einen Kontrolltermin beim Kassenarzt (etwa beim Augenarzt) ein halbes Jahr Wartezeit in Kauf nehmen müssen. Beim Wahlarzt bekommt man schneller einen Termin. Die nächste (oft lange) Wartezeit kommt im Wartezimmer auf die Patienten zu: Beim Wahlarzt ist diese bedeutend kürzer und man teilt sich das Wartezimmer auch mit weniger Leuten. Und im Arztzimmer hat der Mediziner dann häufig wenig Zeit für den Patienten. Auch hier kann sich der Wahlarzt in der Regel mehr Zeit für ein persönliches Gespräch nehmen.

 

Fachliche Kompetenz

Bei der fachlichen Kompetenz wurde prinzipiell kein Unterschied zwischen Kassenärzten und Wahlärzten gesehen. Allerdings erlaube das ausführliche Gespräch beim Wahlarzt eine bessere Analyse und dadurch eventuell auch eine bessere Diagnose. Zeitdruck würde auch bei Ärzten zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit führen, das sei menschlich. Auch die bessere Ausstattung der Wahlärzte in Bezug auf Geräte wurde in den Interviews angesprochen. Wahlärzte hätten auch öfter Zusatzausbildungen, die sie sich durch das höhere Einkommen in der Praxis einfacher leisten könnten und auch alternativmedizinische Methoden (z.B. Homöopathie) würden häufiger angeboten.

 

Zwischenmenschliches und Service

Ganz wichtig war den Befragten, dass der Arzt nicht „in den Computer hineinschaut", sich Zeit nimmt, zuhört und den Patienten ernst nimmt. Die zwischenmenschliche Beziehung müsse stimmen. Die befragten Personen nannten außerdem Zusatzservices bei Wahlärzten wie etwa online-Terminbuchungen, Terminerinnerungen per SMS, einen Parkplatz vor der Praxis und eine freundlich gestaltete Ordination. Grundsätzlich sind die Befragten dazu bereit für ein Mehr an Leistung auch Geld zu bezahlen.

Im Allgemeinen schätzen die Patienten die kontinuierliche Betreuung durch einen Arzt sehr, da dieser die Krankengeschichte dann schon kennt und diese dann nicht immer von neuem erzählt werden muss. Gewechselt wird lediglich bei Unzufriedenheit mit dem Arzt, bei Umzug des Patienten oder bei Pensionierung des Mediziners.

Insgesamt stellen die interviewten Personen dem österreichischen Gesundheitswesen ein gutes Zeugnis aus und meinen, dass die Gesundheitsversorgung in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern besser sei. Wünschen würden sie sich jedoch eine bessere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsberufen (z.B. mit Physiotherapeuten) sowie Ärztezentren und Gruppenpraxen.

 

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Quelle

Bericht: Motive für die Inanspruchnahme wahlärztlicher Versorgung