Finanzierung, Personal und Vision essentiell für eine starke Primärversorgung

Großbritannien: Ein neuer Report von „The King’s Fund“ verdeutlicht wieder einmal wie wichtig eine starke Primärversorgung für die Gesundheit der Menschen und ein funktionierendes Gesundheitswesen sind. Um aber eine starke niederschwellige Grundversorgung zu schaffen bedarf es in Großbritannien vor allem ein Drehen an folgenden drei Schrauben: der Finanzierung, dem Personal und der Vision.

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Die meisten Menschen nutzen für ihre gesundheitlichen Anliegen auch im NHS gerne und viel allgemeinmedizinische Praxen oder Apotheken. Dennoch ist der Anteil der Finanzmittel für dieses Versorgungssegment gesunken. 2015/16 wurden noch 8,9 Prozent des NHS-Budgets für Primärversorgung ausgegeben, 2021/22 nur noch 8,1 Prozent. Die Kosten von Akutspitälern sind zwischen 2016/17 um 27 Prozent gestiegen, während es in der kommunalen Grundversorgung lediglich 14 Prozent waren. Selbiges lässt sich auch beim Personal beobachten: in diesem Zeitraum wuchs die Zahl der beim NHS angestellten Fachärzte um 18 Prozent an, die der GPs (General Practitioners, Allgemeinmediziner) nur um 4 Prozent.

Dieser Rückstand des Personalwachstums in der Primärversorgung gefährdet laut dem „The King’s Fund“ die Gesundheit der Patienten, weil diese verspätet einen Termin beim Allgemeinmediziner bekommen. Das führe automatisch zu einem höheren Bedarf in den Spitälern.

Die Antwort auf überfüllte Spitäler sind nicht mehr Spitäler

Obwohl sich Regierungen in Großbritannien stets dazu bekannten, die Primärversorgung und die kommunale Gesundheitsversorgung stärken zu wollen, ist es doch nie dazu gekommen. Dies sei einer der „Langzeitfehler“ der Politik der letzten 30 Jahre, so die Aussage im Report. Aber warum kommt es dazu? Gründe dafür sind ein Mangel an Daten zur primären und kommunalen Gesundheitsversorgung, eine Priorisierung der Regierung von Krankenhäusern und eine zu starke Konzentration der Politik auf Wartezeiten in Notaufnahmen und Rückständen bei planbaren Eingriffen.

Sarah Woolnough, die Geschäftsführerin des King’s Fund betont, dass die Antwort auf überfüllte Krankenhäuser nicht mehr Krankenhäuser sind. Und obwohl dies nun schon seit vielen Jahren gut verstanden wird, fließt ein immer größerer Anteil des NHS-Budgets in den stationären Bereich. Gleichzeitig kommt es zu einem schleichenden Kapazitätsabbau in der primären und kommunalen Versorgung.

Es braucht Vision und Willen

Um den Weg in eine gestärkte Primärversorgung zu schaffen braucht es in der Politik eine klare Vision und den politischen Willen dazu, hier eine Priorität zu setzen und langfristige Veränderungen zu überwachen. Das zukünftige Wachstum der Finanzierung muss auf primäre und kommunale Dienste ausgerichtet sein, und Investitionen schwerpunktmäßig auf Gebäude und die Ausstattung lenken.

Mitarbeiter sollten durch Anreize, wie etwa Gehalt, Status und Karriereentwicklungsinitiativen, zur Arbeit in der Primär- und Kommunalversorgung motiviert werden. Auch obligatorische Ausbildungsplätze könnten dafür eine Möglichkeit sein. Lokale Gesundheits- und Pflegeleiter sollten für die Verbesserung der Patientenversorgung und nicht für Wartelisten zur Rechenschaft gezogen werden und zudem mehr Flexibilität erhalten, um auf lokale Anforderungen reagieren zu können. Schließlich könnten die Vorteile einer wohnortnahen Versorgung erst vollständig genutzt werden, wenn das Sozialsystem reformiert wird.

Auch der Hauptautor der Studie, Beccy Baird, betont, dass die Trendwende weg von einer krankenhauszentrierten Versorgung nur über die Stärkung der Primärversorgung funktionieren kann. Natürlich würde das nicht zu kurzfristigen Einsparungen im System führen, aber die Alternative wären immer teurere Spitäler, die akute Gesundheitsprobleme bekämpfen müssten, die bereits in der Primärversorgung verhindert werden hätten können.

 

Quelle

nhe